Ego-State-Ansatz

Kernpunkte

Jeder Mensch kann in unterschiedlichste Ich-Zustände eintreten. Jeder dieser Zustände ist durch eine bestimmte Stimmung, typische Gefühle und Gedanken und sogar durch Körperhaltungen oder Körperzustände charakterisiert.

Diese Ich-Zustände oder Ego-States sind in unterschiedlichsten Phasen unserer Biographie entstanden und waren jeweils die passendste Antwort auf die Umstände.

Sie können uns helfen effektiv und adäquat mit Situationen umzugehen (z.B. in der Mutterrolle verbleiben, anstatt in die Rolle des hilflosen Kindes oder in die Rolle des Tyrannosaurus Rex bzw. wütenden Krokodils zu rutschen). Manchmal geraten unterschiedliche Ego-States oder Persönlichkeitsanteile aber auch in Konflikte, z.B. der „Perfektionist“ mit dem „ inneren Schweinehund“ und blockieren uns dann dauerhaft.

In der Ego-State-Therapie wird eine Disidentifikation angestrebt, d.h. eine Distanzierung, die uns erlaubt aus der Identifikation mit einer Rolle auszutreten und sie von außen zu betrachten.

Aus der neutralen Position des inneren Beobachters ist es möglich zwischen verschiedenen inneren Anteilen zu vermitteln und die Aktivitäten und Motive der einzelnen Anteile harmonisch in die Gesamtpersönlichkeit zu integrieren.

 

Eine umfassendere Beschreibung des Ego-State-Ansatzes finden Sie, wenn Sie...

Ego-States sind innere Schemata des Erlebens oder auch Gewohnheitsmuster: körperliche, psychische und geistige Zustände, die stets in ähnlicher Art und Weise in ähnlichen Situationen auftreten. Wir können sehr unterschiedliche Zustände realisieren, je nachdem in welcher Situation wir uns befinden. In der Regel gibt es ein Dutzend „Lieblingszustände“ oder Rollen, die am häufigsten, meist unbewusst – eingenommen werden. So werden z.B. unterschiedliche Zustände aktiviert, wenn wir in der Arbeit sind und dort mit einem Vorgesetzten zu tun haben, oder mit einer sympathischen Kollegin, wenn wir Gartenarbeit machen, auf eine Party gehen oder Autofahren….

In der Regel wird unser aktueller Bewusstseinszustand bzw. unser aktuelles Erleben durch einen Ego-State bestimmt, so wie wir auf dem PC meist mit einem Programm arbeiten, manchmal gibt es Neben- und oder Hintergrundprogramme, manchmal Konflikte zwischen zwei verschiedenen Programmen, dann kann es sein, dass der PC sich „aufhängt“ und erst „runtergefahren“ werden muss, bevor wir zielorientiert weiterarbeiten können. Ebenso verhält es sich mit den Ego-States, manche bleiben im Hintergrund, manche sind im Konflikt mit dem Hauptprogramm, welches wir ausgewählt haben, manche schieben sich wie ein Pop-up-Fenster oder wie ein Virus ungewollt in den Vordergrund und dominieren das Geschehen. Manche Ego-States verhalten sich wie Magneten, d.h., dass unser System immer wieder in charakteristische Muster hineingezogen wird.

Die meisten von uns kennen beispielsweise die Situation, in der wir uns vorgenommen haben zu arbeiten, vielleicht schon damit begonnen haben, während irgend etwas in uns dieses Vorhaben unterläuft, so dass wir uns schließlich auf dem Liegestuhl in der Sonne wiederfinden und uns darüber wundern, wie das passieren konnte…während der Liegestuhl eine wunderbare magische Magnetkraft entfaltet…

Oder wir versuchen uns auf etwas zu konzentrieren, während uns Gedanken durch den Kopf gehen, die wir nicht loswerden.

Persönlichkeitsanteile übernehmen dann die Führung, wenn wir sie bewusst aufrufen – wie ein PC-Programm, oder aber, wenn sie durch innere und/oder  äußere Umstände auf den Plan gerufen oder unterstützt werden. Der körperliche Zustand ist z.B. einer der wesentlichen Bedingungen, die die Anwesenheit bestimmter Selbst-Zustände unterstützen oder unterlaufen.

Jede Erfahrung, die wir haben entsteht über die Aktivierung bestimmter neuronaler Netzwerke. Die Aktivierung eines spezifischen Netzwerks führt zu einem spezifischen körperlichen Aktivierungsmuster, zu dem eine ganz spezifische Stimmung bzw. ein ganz bestimmtes Gefühl gehört, ganz bestimmte Gedanken, eine bestimmte Art und Weise wahrzunehmen und diese Wahrnehmung zu interpretieren. Wie in einem Diaprojektor je nach eingelegtem Dia ein anderes Bild entsteht (obwohl das Licht jeweils das gleiche ist), bricht ein Ego-State jede Situation auf seine bestimmte Art und Weise und gibt ihr eine spezifische Färbung:

Je nach Aktivierungsmuster können wir ein und dieselbe (äußerlich gleiche) Situation völlig anders erleben. Aufgrund dessen gibt es z.B. den verblüffenden Effekt, dass wir häufig dann eine schöne Vergangenheit haben, wenn wir uns gut fühlen (auf einmal erinnern wir uns an lauter schöne Erlebnisse) und eine schlechte Vergangenheit, wenn wir uns schlecht fühlen (auf einmal besteht die Vergangenheit nur noch aus Traumatisierungen) – also bestimmt der gegenwärtige Ego-State sogar unsere Vergangenheit. Wenn er das kann, kann er auch und umso mehr bestimmen, was wir hier und heute erleben. Der jeweilige Ich-Zustand ist also ein überaus mächtiges Organisationsprinzip unseres Lebens.

Ziel der Arbeit mit den Ego-States ist es, ein harmonisches integriertes inneres Team zu entwickeln, die Aktivitäten der unterschiedlichen Selbst-Zustände steuern und in die Interessen der Gesamt-Persönlichkeit integrieren zu können.

In der Regel geschieht der Wechsel von Ego-State zu Ego-State automatisch, wir befinden uns in der Steuerung des „Autopiloten“ und ziehen im Alltag unsere Gewohnheitsschleifen.  Um bewusst von einem Programm ins andere zu wechseln, benutzen wir „Tricks“ (immer wenn ich klassische Musik anhöre, dann….) oder wir können lernen ins „Hauptmenü“ zu wechseln, wo sich die „Türen“ befinden, durch die wir in die gewünschten Programme/Zustände eintauchen können.

Ein "innerer Anteil" bzw. Ego-State kann nur dann erkannt werden, wenn sich eine beobachtende Instanz von ihm distanziert und ihn von einem gewissen Abstand aus betrachtet. Das „Hauptmenü“ ist ein besonderer Zustand, der durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet ist: Wir haben Abstand zu den jeweiligen anderen Zuständen, wir sind entspannt, stabil, klar und meist auch mitfühlend oder freundlich gegenüber uns und der Welt gestimmt. Es gibt eine wohlwollende Parteilichkeit für das Ganze. Dann besteht eine gefühlte innere Verbundenheit mit dem Sein an sich, während sich viele der Ego-States abgetrennt oder isoliert erleben. (s.a. Achtsamkeit

Dieser Zustand hat unterschiedliche Namen: „Selbst“, „innere Mitte“, „Innere Führung“, „Zeugenbewusstsein“, „achtsames Gewahrsein“, „innerer Beobachter“.

Im achtsamen Gewahrsein kann alles auftauchen ohne dass wir völlig damit verschmelzen. Während sich häufig eine Tätigkeit, ein Gefühl oder Gedanke so sehr in den Vordergrund schiebt, dass wir dieses Gefühl sind (z.B. nur noch Wut, nur noch Ungeduld, nur noch Sehnsucht), bleibt im Zustand des achtsamen Gewahrseins stets ein kleiner Abstand „Ich bin achtsames Gewahrsein und fühle innerhalb dessen XY.“ So wie Wasser alles aufnehmen kann aber am Ende doch stets reines Wasser bleibt – spätestens nachdem wir es gefiltert haben.

Im achtsamen Gewahrsein sind wir aus dem Autopiloten ausgestiegen. Wir können wählen in welchen Ego-State, in welchen Bewusstseinszustand wir mehr oder weniger eintreten wollen.

Je öfter und je länger es uns gelingt im achtsamen Gewahrsein zu verweilen, desto freier und unabhängiger von äußeren Umständen werden wir.  Achtsames Gewahrsein kann erlernt werden. Wie unsere körperlichen Muskeln stellt es eine geistige Kraft dar, die wir trainieren können.

Persönlichkeitsanteile bzw. Ego-States entstehen in den wichtigsten Stationen unserer persönlichen Entwicklung, um eine optimale Anpassung an diese Situation zu gewährleisten. Sie haben stets eine positive Absicht. Z.B. sorgen „innere Kritiker“ dafür, dass wir uns den äußeren Erwartungen so weit anpassen, dass wir Anerkennung bekommen können oder zumindest nicht verurteilt oder zurückgewiesen werden. Rebellische Persönlichkeitsanteile sorgen für den Erhalt der inneren Autonomie, etc.